Märtyrer
Ich liebte meine Aglae. Ich tat wirklich alles für sie und im Gegenzug tat sie alles mit mir. Wir hatten ein fabelhaft sündiges Leben. Und damit meine ich: Sex. Viel Sex. Manchmal wusste ich gar nicht mehr, ob gerade die Sonne auf- oder unterging. Rom war eine schöne Stadt für uns. Das Leben war wunderbar mit Aglae. Sie war bezaubernd und ich konnte ihr keinen Wunsch abschlagen. Was mir oft zum Nachteil war, denn sie hatte unglaublich komplizierte und abgefahrene Wünsche.
Mal war es ein seltenes Kraut, das es nur bei einer Person gab. Mal ein Ausflug, der sich eher als Raubzug herausstellte. Und dann: Dann war da dieser eine Wunsch, dass sie gerne die Knochen von einem christlichen Märtyrer hätte. Sie dachte wohl, das würde unserer Wohnung einen gewissen Kick geben.
Sie hatte gehört, dass es davon gerade einige in der Region Tarsus gibt. Diese Christ:innen wurden dort aktuell stark verfolgt. Und das Faszinierende: Anstatt sich von ihrem Glauben abzuwenden oder einfach gegenüber den Soldaten zu lügen, bekannten sie sich zu ihrem Gott und starben. Freiwillig. Also nicht das Sterben. Eher so: Ohne ernsten Widerstand.
Ich reiste in die Region und sah mit meinen eigenen Augen, was dort geschah. Diese Christ:innen wurden hingerichtet. Sie wehrten sich nicht. Sie verleugneten sich nicht. Sie lebten im Untergrund, aber statt zu kämpfen, pflegten sie die Ärmsten. Sie kümmerten sich um die Stadt, welche alles daran tat, sie loszuwerden.
Ich konnte nicht anders. Ich musste sie kennenlernen. Ich wollte Aglae keine Knochen eines Märtyrers bringen, ich wollte ihr mich als einen Christen zurückbringen! Ich ließ mich unterweisen, half mit, flog auf und wurde in brennendem Pech hingerichtet. Aglae bekam ihre Gebeine eines Märtyrers. Sie bekam meine.
306 starb ich, Bonifatius. Ich bin kein Patron für irgendwas, aber mein Gedenktag ist am 14. Mai und damit zähle ich zu den Eisheiligen.
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