Ich war das sechste von acht Kindern. Doch aufgewachsen bin ich nur mit dreien. Meine anderen Geschwister kamen nicht über die Kindheit hinaus. Das war nicht unüblich für die Zeit, doch trotzdem spürte ich den Druck, etwas aus meinem Leben zu machen. Etwas zu erreichen. Zu meiner Zeit gab es drei Möglichkeiten dafür: geistlich, politisch oder wirtschaftlich. Meine Eltern waren keine Kaufleute und die Politik war mir als Frau verwehrt. Mir ging es eh nie um Ruhm, sondern darum, mir selbst zu beweisen, dass ich es wert war, überlebt zu haben. Zusammen mit meiner Schwester ging ich zur Firmung und seitdem faszinierte mich der Glaube.
In meinem Ort gab Franziskanerinnen. Ich tat alles, um ein Teil von ihnen zu werden. Doch sie ließen mich abblitzen. Meine Eltern konnten keine Mitgift bezahlen. Ich war offensichtlich zu arm für einen Bettelorden. Zu meinem Glück erkannte der Bürgermeister meinen Ehrgeiz und obwohl er selbst Protestant war, dealte er mit dem Kloster. Gegen ein Grundstück durfte ich eintreten.
Doch die Schwestern dachten gar nicht daran, dass ich Teil ihrer Gemeinschaft würde. Das Grundstück nahmen sie gern, aber mich wollten sie nicht. Weil ich ehrgeizig war, trauten sie meiner Berufung nicht. Sie gaben mir Aufgaben, an denen ich verzweifeln sollte. Doch ich zweifelte nicht und gab nicht auf. Das mussten auch meine Mitschwestern einsehen. Denn obwohl sie selbst nach der allerkleinsten Verfehlung suchten, fanden sie nichts.
1704 legte ich meine klösterlichen Gelübde des Gehorsams, der Armut und Ehelosigkeit auf Lebenszeit ab. Ich arbeitete in der Küche bis zu jenem Tag, als unser Konvent eine neue Oberin bekam. Sie war frei von den Vorurteilen gegen mich und erkannte in mir eine gute Beraterin. So wechselte ich an die Klosterpforte und war seit dem Tag an Ansprechperson für all die Menschen, die uns besuchten.
Ich blieb ehrgeizig und mir selbst treu, denn ich wusste, dass ich es nicht für mich tat. Selbst als man in mir eine Hexe sah und mich mit fadenscheinigen Prüfungen demütigen wollte. Ich wurde Novizenmeisterin und später Oberin.
Am 5. April 1744 starb ich, Maria Crescentia Höss. Ich habe gelebt trotz allem, was kam, und das war mein Ziel.