Theologe · Widerstandskämpfer
Als ich meinen Eltern sagte, dass ich Theologie studieren werde, waren sie nicht begeistert. Ich war das sechste von acht Kindern. Mein Vater war Psychiater und Neurologe, meine Mutter adlig und unser Haus weltoffen. Der Blick auf Kirche? Distanziert. Die gibt es eben, da geht man hin, aber so richtig relevant für die Gesellschaft war die Kirche nach Meinung meiner Eltern nicht.
Ich studierte und promovierte in Theologie in Tübingen, Rom und Berlin. Dort habilitierte ich mich mit 24 Jahren. Bei einem anschließenden Studienaufenthalt in
Harlem New York lernte ich das Christentum ganz neu kennen. Nicht nur die Musik, die Lebendigkeit und die Leidenschaft der Predigenden faszinierte mich, sondern vor allem die Tatsache, dass hier Kirche ganz praktisch und selbstverständlich in Not und Armut half. Dort wurde ich zum Christen, davor war ich nur Theologe.
Zurück in Deutschland übernahm ich einen Lehrauftrag an der Berliner Universität. Mir war es wichtig, Theologie, den Glauben und das alltägliche Handeln zusammenzudenken. Deswegen ließ ich mit der gleichen Selbstverständlichkeit vor der Vorlesung beten, wie ich die Freiheit der Wissenschaft einforderte und den sich anbahnenden Krieg ächtete.
Durch meine jüdischen Freund:innen erlebte ich von Anfang an die Verfolgung mit. Für mich war die Kirche in der Pflicht, staatliches Handeln infrage zu stellen; spätestens dann, wenn es Menschen diskriminiert und verfolgt – und das ganz unabhängig davon, ob diese Menschen Teil der Kirche sind. Wenn sie das nicht macht, wird sie selbst zur Mittäterin.
Ich hoffte auf ein gemeinsames, von unserem Glaubensbekenntnis bestimmtes Handeln aller christlichen Kirchen. Doch ich wurde von der eigenen wie von den anderen Kirchen enttäuscht. Während der Staat immer repressiver wurde, ging ich in den Untergrund, um mit all meiner Kraft gegen das Unrecht zu kämpfen.
Ich glaube, dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten, Gutes entstehen lassen kann und will. Dafür braucht er Menschen, die sich alle Dinge zum Besten dienen lassen. Ich diente, solange ich konnte. Bis man mich fasste.
Am 09.04.1945 wurde ich, Dietrich Bonhoeffer, hingerichtet. Bis zum Schluss wusste ich, dass Gott mich treu und still umgibt.