Märtyrin
Ich wäre älter als dreizehn Jahre geworden, wenn er mein Nein akzeptiert hätte. Ich stamme aus einer römischen Adelsfamilie. Meine Eltern waren Christen. Sie waren immer fair zu mir und gaben mir Selbstbewusstsein und Standhaftigkeit mit auf dem Weg. Ich wusste, dass sie mich liebten, dass Gott mich liebte und dass ich wertvoll bin. Das war keine Selbstverständlichkeit für Frauen meiner Zeit.
Ein Junge, der Sohn des Präfekten von Rom, hatte sich in mich verliebt. Er fragte mich immer wieder, ob ich seine Frau werden würde.
Ich hatte keine Lust darauf, weder im Spiel noch im echten Leben. Ich war zwölf Jahre alt und dachte an vieles, nur nicht ans Heiraten. Doch der Schnösel war Zurückweisung nicht gewohnt. Woher auch? Als Sohn des Präfekten küsste man ihm Land auf und ab die Füße. Genervt sagte ich ihm, dass ich bereits verlobt sei. Mit Jesus. Ich dachte, dass er wenigstens Gott fürchtete.
Als er realisierte, dass er mich nicht bekam, beschloss er, mich zu vernichten. Durch seinen Vater ließ er mich vor den Richter führen. Einen richtigen Grund zur Anklage gab es nicht, ein Ziel schon: meinen Tod. Zwar war eine Frau in ihren Augen nicht viel wert, doch die Gesellschaft fürchtete die Reinheit einer Jungfrau. Und weil sie eine solche nicht zum Tode verurteilen konnten, zwangen sie mich zur Prostitution. Sie hofften, dass ich nach ein paar Monaten keine Jungfrau mehr bin und endlich – reinen Gewissens – getötet werden könnte.
So wurde ich in ein Bordell gesperrt.
Nach einigen Tagen witterte auch der Zögling seine Chance. Als er in meine Zelle kam, stieß ich ihn so fest von mir, dass er gegen das Bett und anschließend ohnmächtig zu Boden fiel. Als er aus seiner Ohnmacht erwachte, meinte er, ich könnte zaubern. Denn in seinem Weltbild konnte eine Frau nur durch fremde Kräfte stark sein.
Ich kam erneut vor den Richter. Dieses Mal schien ich unrein genug zu sein, um mich auf dem Scheiterhaufen zu verbrennen. Ich wehrte mich mit Händen und Füßen, bis ein Soldat – genervt von meiner Gegenwehr – mir mit dem Schwert die Kehle durchschnitt.
Am 21. Januar 250 starb ich, Agnes von Rom. Ich war noch ein Kind und musste sterben wie ein geschächtetes Lamm wegen meines Neins.