Märtyrerin · Patronin gegen den Spätfrost
Ich würde euch jetzt gerne viel von mir erzählen, aber es gibt nichts zu erzählen. Niemand weiß mehr etwas über mich. Außer, dass ich im vierten Jahrhundert während der Christen-verfolgung des Diokletian starb. Danach gibt es nur noch Erklärungen, wo meine Gebeine als Reliquien verehrt werden. Und damit nicht genug: weil man so wenig über mich weiß, aber zumindest Reliquien hat, wird meine Geschichte dann oft mit der von Sophia von Mailand verwechselt.
Mal davon abgesehen, dass sie gut 150 Jahre vor mir gelebt hat, finde ich ihre Taten schockierend: Sie soll, nachdem ihr wohlhabender Mann starb, all ihren Besitz den Armen geschenkt haben und dann, mit der vollen Absicht, ein Martyrium (!) zu erleiden, mit ihren drei (!!) Töchtern (!!!) nach Rom gereist sein. Das hat auch geklappt. Alle tot. Ich sehe daran nichts Heiliges. Aber ich weiß auch nicht, ob mein Leben heilig war.
Als ob ich euch etwas zeigen kann von dem, was Gott mit uns Menschen plant. Okay, ich war Christin während einer Christen-verfolgung. Aber, mal unter uns, ich hätte auch lieber mein Leben genossen, anstatt zu sterben. Ich bin nicht Christin geworden, um ein Martyrium zu erleiden. Ich war es aus Überzeugung.
Ich bin geboren in einer Zeit, als wir Christ:innen frei ein Teil der römischen Gesellschaft sein konnten. Wir lebten, beteten und arbeiteten normal in der Stadt. Konnte ja niemand ahnen, dass so ein irrwitziger Kaiser Allmachtsfantasien hatte und einen Super-helden-Götterkult wieder neu etablieren wollte. Was war denn die Alternative zum Christentum? An einen Staat glauben, der sich selbst in die Nähe der Gottheiten rückt?
304 starb ich, Sophia von Rom. Ich bin Patronin gegen den Spätfrost und für das Wachsen von Feldfrüchten. Mein Gedenktag ist der 15. Mai und ich zähle damit zu den Eisheiligen.