Maronitische Ordensfrau
Als ich sieben Jahre alt war, verlor ich meine Mutter. Mein Vater hatte große Mühe, ein Vater zu sein. Drei Jahre lang versuchte er es, bis er aufgab und mich als Hausmädchen in eine maronitische Familie schickte. Die Maroniten sind Christen, die vor allem durch das Wirken des heiligen Marons geprägt worden sind. Fünf Jahre lang lebte ich bei der Familie. Ich bin aufgewachsen mit der Idee, zu dienen und für andere mehr da zu sein als für mich selbst.
Ich hörte die Geschichten von Jesus und der Tatsache, dass er Leid auf sich nahm – für andere. Ich redete mir immer wieder ein, dass es okay war zu leiden, dass es okay war zu dienen und dass ich nicht das Lob anderer brauchte.
Und trotzdem traf es mich hart, als mir mein Vater, ich war 15 Jahre, eröffnete, er hätte eine neue Frau. Und ich? Ich war die Last aus der Vergangenheit, um die er sich nicht mehr kümmern wollte. Deswegen suchte er für mich jemanden, der mich heiraten sollte. Doch ich suchte Zuflucht bei den Miriam-Schwestern im Kloster St. Maria und bat sie, mich bei sich aufzunehmen. Sie schützten mich.
Dort lebte ich sicher und in Frieden, bis 1860 ein Konflikt zwischen der christlichen Minderheit der Maroniten und der Mehrheit der Drusen, einer aus dem Islam hervorgegangenen Religionsgemeinschaft, eskalierte. Die Maroniten waren auf die Gunst der Landbesitzer:innen, die zumeist Drusen waren, angewiesen. Doch wie Menschen sind, hielten sie nicht zusammen, sondern sich auf Abstand. Und am Ende stand ein Massaker an mehreren tausend Menschen.
Ich half, wo ich konnte. Ich versteckte Kinder unter meinem Gewand und brachte sie aus der Gefahr. Doch ich sah, wie die Menschen sich bekriegten und die Schuld auf Gott schoben. Die Maroniten unterlagen. Zwar konnte ich noch mein erstes Gelübde ablegen, doch kurz darauf wurde das Kloster geschlossen. Eine Vision brachte mich zu einem Kloster im Norden des Landes, wo ich 1873 feierlich mein letztes Gelübde ablegte. Ich nahm den Namen meiner Mutter an. Rafqa, auch Rebekka genannt. Denn bei allem was war, war sie wiederzusehen die Hoffnung, die mich antrieb.
1914 starb ich, Rebekka Ar Rayès. Bis zum Schluss trug mich die Hoffnung, dass es am Ende bei ihr besser wird.
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