Befreiungstheologe · Erzbischof von San Salvador
An meinen Anfängen ist nichts Magisches. Ich war durch und durch Karrierist. Mit 13 Jahren kam ich ins Internat, mit 20 Jahren startete ich mein Theologiestudium und brachte es in Rom zum Abschluss. 1943 wurde ich zum Priester geweiht. Erst probierte ich es mit einer Doktorarbeit, brach diese jedoch ab, um als Priester in meine Heimat zurückzukehren.
Meine Predigten wurden weit über meine Pfarrei hinaus gehört. 1967 wurde ich Generalsekretär der nationalen Bischofs-konferenz. 1970 wurde ich Weihbischof und 1977 Erzbischof von San Salvador. Ich war ganz oben angekommen.
In den reichen Kreisen von El Salvador freute man sich über meine Ernennung. Denn ich war erklärter Feind von Aufruhr und Marxismus. Wie so viele andere sah ich wegen der nationalen Sicherheit Härte im Umgang mit aufständischen Bauern als geeignetes Mittel an. Die Oligarchen machten gemeinsame Sache mit dem Militär, um den eigenen Einfluss zu sichern.
Ich gebe zu: Ich habe nie hinterfragt, was das bedeutete. Bis im März 1977 mein Mitbruder Rutilio Grande zusammen mit zwei Mitarbeitern im Auftrag der Großgrundbesitzer erschossen wurde. Sie sahen in Grandes Kirche für die Armen ihr Geschäft gefährdet. Rutilio stand für seine christlichen Überzeugungen und ich wusste, dass ich wohl auch diesen Weg gehen musste.
Kirche, und auch ich, redet immer von den Armen, als seien sie abstrakt, und überlässt die tatsächliche Gestaltung der Gesellschaft der Politik. Doch die Armen sind nicht fiktiv. Sie sind real und werden real ausgebedeutet und unterdrückt. Ich erkannte, dass mir keine Wahl blieb, als die Gesellschaft aktiv nach dem Evangelium mitzugestalten. Ich lebte bei den Kranken und besuchte die Gemeinden und Familien, die Zielscheibe des Staatsterrors durch Todesschwadronen wurden. All die Verbrechen, die begangen wurden, ließ ich dokumentieren.
Regelmäßig sprach ich ehrlich und offen über das Evangelium. Und was es für die Gesellschaft bedeutet, danach zu leben: Füreinander da zu sein, statt sich der Macht wegen gegenseitig zu töten. Mitbischöfe mieden mich für meine Arbeit. Doch ich war nicht Hirte für die Hirten. Mein Ort war bei den Armen und Unterdrückten.
Am 24. März 1980 wurde ich, Óscar Romero, von einem Scharfschützen am Altar erschossen. Ich stand für eine Kirche der Armen und hatte mir damit viele Feinde gemacht.