Fluchthelferin · Sklavin
Meine Großmutter wurde einst auf einem Sklavenschiff nach Amerika gebracht. Sie stammte aus Ghana und gehört zu dem Volk der Aschanti. Woher ich komme, war nie interessant. Weder mein Geburtsjahr noch den Ort hat sich jemand gemerkt. Wie meine Großmutter waren auch meine Eltern versklavt. Meine Mutter war Köchin. Mein Vater arbeitete auf der Farm. Unsere Mutter versuchte, uns eine normale Kindheit zu bewahren. Doch spätestens als meine beiden Schwestern verkauft wurden und ich mitbekam, wie wir meinen kleinen Bruder versteckten, um ihn vor dem Verkauf zu schützen, merkte ich, dass nichts normal war. Schon gar nicht wir. Wir waren fremde Menschen in einem fremden Land.
Immer wieder wurde ich ausgeliehen. Doch keine:r war gut zu mir. Bei der einen sollte ich auf ihr Baby aufpassen und immer, wenn es schrie, bekam ich einen Peitschenhieb. Beim anderen sollte ich Bisamrattenfallen überprüfen und stundenlang durchs hohe Wasser waten, selbst als mich die Masern befielen. Und einem dritten sollte ich dabei helfen, einen Sklaven zu fesseln, der abhauen wollte. Ich half nicht und bekam aus Wut ein Gewicht gegen den Kopf geworfen. Zwei Tage ließ man mich blutend liegen, bis man mich zurückgab mit den Worten, dass ich keinen Pfennig wert sei.
Seitdem hatte ich immer wieder Träume. Mir kamen die Geschichten aus der Bibel, die mir meine Mutter vorlas, immer wieder in den Sinn. Aber nicht die über Gehorsam, sondern die von Gerechtigkeit, Rache und Vergeltung. Die Geschichten, in denen Gott sein Volk schützt und rettet. Als mein Besitzer starb, gab es Gerüchte, dass wir verkauft werden sollten. Ohne mich! Ich floh.
Bei meiner Flucht half mir die Underground Railroad, ein Netzwerk von Flucht-helfer:innen. Ich war frei und andere sollten es auch sein. So schloss ich mich dem Netzwerk an und schleuste über 300 Personen ins Freie. Mein Codename: Moses.
Ich war so gut und so erfolgreich, dass die Sklavenhalter:innen 40.000 $ auf meinen Kopf aussetzten. Doch fassen konnten sie mich nie.
Am 10. März 1913 starb ich, Harriet Tubman. Ich war für acht Jahre Schaffnerin der Underground Railroad und ich habe meinen Zug nie entgleisen lassen.