Mystikerin · Patronin Europas
Was bringt mir alle Macht, wenn ich vergesse, woher ich sie habe? Seit ich mich erinnern kann, war Macht für mich präsent. Mein Vater war vorsitzender Richter und Mitglied des königlichen Reichsrates. Meine Mutter entstammte dem regierenden Königsgeschlecht. Wir hatten viel Land und konnten so sorglos unser Leben gestalten. Mir wurde gesagt, dass Macht etwas ist, das man erhalten muss. Deswegen war klar, dass ich nicht irgendjemanden heiraten konnte. Als ich 13 Jahre alt war, heiratete ich den 18-jährigen Ritter Ulf und zog zu ihm auf die Burg.
Uns ging es gut. Wir bekamen acht Kinder. Doch nicht all unsere Kinder durften lange leben. Meine Kinder sterben zu sehen, brachte mich um so manche Nacht. Wie konnte ich gleichzeitig so mächtig sein und so viel Ohnmacht spüren?
Zu dieser Zeit träumte ich auch immer wieder Bilder, die ich bereits als Kind träumte: Maria mit goldener Krone und Jesus am Kreuz. Das Bild von Macht und Ohnmacht.
Immer, wenn ich Ohnmacht sah, versuchte ich zu helfen. So kümmerte ich mich um all die Menschen, ob arm oder reich, die unser Land bevölkerten. Nach 20 Jahren auf der Burg hatten wir die Möglichkeit, an den Hof des Königs zu gehen. Ich wurde Hofmeisterin der Königin und Erzieherin ihrer Tochter. Bei all meinen Taten merkte ich, dass mir mein Glaube half.
Mein Mann und ich unternahmen viele Wallfahrten. Auf unseren Reisen sahen wir das Unheil, das der Krieg über Europa brachte. Ulf zerriss es. Er wurde krank und verlor seine Hoffnung. Zwar schafften wir noch die Reise, doch zu Hause starb er zurückgezogen in einem Kloster.
Macht, die nicht weiß, wo sie herkommt, schien zügellos geworden zu sein. Ich entsagte meiner Macht und zog mich zurück in ein Kloster. Von dort aus gründte ich eine Gemeinschaft, die auf das ursprüngliche Vertrauen aufeinander und in Gott fußte. Eine sichere Basis.
Die war auch nötig, denn um mich herum merkte ich nun immer klarer, dass Mächtige machten und Ohnmächtige litten. Ich ermahnte und tadelte, ob Klerus oder Großgrundbesitzer:´innen. Das gefiel nicht allen. Doch viele schätzten meinen Geist.
1373 starb ich, Birgitta von Schweden. Einen Platz zwischen Macht und Ohnmacht habe ich nie gefunden.