Nichts konnte mich aufhalten. Ich war dafür bekannt, die besten Partys zu starten und bis zum Schluss zu bleiben. Es gab nichts, was man sich vorstellen kann, was nicht auf diesen Feiern passierte. Keine Ausnahme. Es war gut, so exzessiv leben zu können, denn das zerstreute die Langeweile. Mein ganzes Leben ging das schon so: Ich wurde in Reichtum geboren, ich langweilte mich mit Reichtum, ich ließ alles durch Reichtum eskalieren. Seit meinem zwanzigsten Lebensjahr war ich verheiratet. Unsere Ehe hielt, aber war nie exklusiv.
Ich liebte unser Leben. Doch mit jedem Jahr, das die Kinder älter wurden, nahmen sie auch mehr und mehr unser Leben an. Selbst im Rausch, bemerkte ich die zerstörerische Kraft nicht. Doch einem meiner Kinder dabei zuzusehen, wie es die Kontrolle über den Körper verliert, öffnete mir die Augen. Ich wollte alles ändern. Aber der Ring aus Rausch, Sex und noch mehr von all dem war so eng um uns geschnürt, dass er meine Familie und mich nicht losließ.
Mehrmals versuchte ich es, doch nie gelang es mir, sie davon zu überzeugen aufzuhören. Und alleine hatte ich nicht die Kraft, allem zu widersagen. Ich wollte doch auch im Kreis meiner Familie bleiben. Sie waren mir ja das Liebste. Um etwas Abstand zu gewinnen und den Kopf klar zu bekommen, unternahm ich eine Pilgerreise nach Assisi.
Ich weiß nicht mehr genau, wie es kam. Doch in Assisi wurde es mir klar: Gott liebt mich so oder so. Egal, ob ich aufhöre oder weitermache. Und auf einmal kam mir mein Streben nach noch mehr lächerlich vor. Als ob ich mir immer wieder selbst beweisen müsste, dass ich es noch kann. Dass ich noch lebe. Und dabei war das Einzige, was mich am Leben hinderte, der Rausch, der mich nicht klar sehen ließ.
Auf der Rückreise war ich aufgeregt: Ich wollte meinem Mann davon erzählen. Wollte neustarten. Doch als ich Zuhause ankam, sah ich die Überreste einer Feier und meine Familie, Schaum vor dem Mund, tot in der Ecke liegend. Geschockt verkaufte ich alles, was ich hatte, und trat den Franziskanerinnen bei. Für meinen Neustart war ich nun selbst verantwortlich.
Am 4. Januar 1309 starb ich, Angela von Foligno. Gott ist da, ohne dass ich bittend oder auch nur wünschend gerufen habe.