Silvester


Meine größte Leistung war es, am richtigen Tag zu sterben. Nach meinem Tod gab es so einiges an Geschichten, was ich alles gemacht haben soll. Doch wenn ich ehrlich bin, ist das wohl eher ausgedacht. Ich bin 284 zum Priester geweiht worden. In der Zeit herrschte in Rom sowohl Lepra als auch die Christenverfolgung. Beides gefiel mir nicht sonderlich gut. Deswegen zog ich mich in eine Höhle am Mons Soracte zurück.

Einst stand auf dem Hügel ein Heiligtum für die beiden Götter der Unterwelt Pluto und Orcus. Zu meinem Glück hatten es die Bürger:innen schon lange vergessen. Ich nutzte meine freie Zeit und baute es zu einem Kloster um. Fest entschlossen, hier bis zu meinem Tod zu bleiben, drehte sich die Welt weiter. Die Christenverfolgung endete und mit Kaiser Konstantin wurde zum ersten Mal ein Christ Kaiser des römischen Reiches. Selbst auf meinem kleinen Hügel merkte ich den Aufschwung. Sie sahen in meinem Rückzugsort eine geistliche Stätte. Sie sahen in mir einen geistlichen Leiter. Ich widersprach nicht.

Auch nicht als sie mich 314 zum Bischof von Rom ernannten. Noch ein paar Jahre vorher, wäre diese Aufgabe mit viel Repression und Arbeit aus dem Untergrund einhergegangen, doch spätestens seitdem Konstantin 313 die christliche Kirche anerkannte, war es recht komfortabel. Mein Vorgänger hatte es sogar geschafft, dass wir den Lateranpalast beziehen konnten. Er behauptet es wäre von Konstantin geschenkt. Aber unter uns: Das glaubte auch damals keiner.

Ich war Bischof von Rom in einer bedeutenden Zeit. Doch das lag weniger an meinem Wirken. Selbst beim wichtigen Konzil von Nicäa, an dem um das Glaubensbekenntnis gerungen wurde, sendete ich nur zwei Presbyter hin. Und auch die anderen Synoden versäumte ich. Es war einfach zu bequem in Rom.

Am 31. Dezember 335 starb ich. Wäre ich an einem anderen Tag gestorben, würde mich wohl keiner kennen. Aber so war mein Leben: voll glücklicher Zufälle, die mich zur richtigen Zeit an die richtige Position brachten.

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