Großmutter von Jesus
Mein Leben war eigentlich in Ordnung. Ich lebte mit meinem Mann Joachim ein genüssliches Leben. Wir waren nicht arm und hatten immer genug zum Teilen: Ein Drittel gaben wir an den Tempel, ein Drittel an die Armen und vom letzten Drittel konnten wir immer noch gut leben. Das lag auch daran, dass Joachim und ich scheinbar keine Kinder bekommen konnten. Glaub mir, wir probierten es oft, sehr oft, sehr, sehr oft.
Eigentlich war es gar nicht so schlimm. Wir hatten Spaß miteinander, wir liebten uns und wir konnten uns nahe sein. Mit Kindern hätten wir sicher nicht so großzügig teilen können. Trotzdem wurde ich immer wieder bemitleidend angesehen. Sie kann kein Kind schenken, sagten sie.
Je nachdem, ob es gerade kein wichtigeres Thema gab, wurden deswegen auch unsere Spenden an den Tempel nicht angenommen.
Mit uns schien ja etwas nicht zu stimmen. Keine Kinder zu kriegen, so glaubten sie, sei eine Strafe Gottes. Und nur, wenn ich Mutter sei, würde ich meine Aufgabe erfüllen. Das bedrückte Joachim und mich. Denn unsere gemeinsame Zeit fühlte sich ganz anders an, als man uns zuschrieb. Wir waren füreinander da. Immer.
So beteten wir zu Gott, dass sich etwas änderte. Und ich wurde schwanger. Es war eine ganz normale Schwangerschaft mit Höhen und Tiefen und einer Geburt, die genauso schmerzhaft im Anfang und wunderschön am Ende war. Ich bekam Maria. Und sie bekam Jesus. Und das ist wahrscheinlich der Grund, warum man mich überhaupt kennt.
Am 26. Juli wird mir, Anna, der Großmutter von Jesus, gedacht. Niemanden interessiert, wann ich geboren oder gestorben bin. Das Wichtigste war immer, dass ich Mutter werde. Dabei war ich so viel mehr, doch das ist nun alles vergessen.
Q: