Mystikerin
Meine Eltern hatten kein Glück mit mir. Vor mir gab es zwölf andere Kinder, die aber alle verstarben. Ich war ihr großes Glück, denn ich lebte. Nur leider konnten sie es nicht mehr lange genießen. Drei Jahre nach meiner Geburt starben sie. Ich musste zu meinem Onkel. Dieser hatte eigene Pläne für mich.
Wir zogen um nach Alexandria und als ich 13 Jahre alt war, eröffnete er mir, dass er mich bereits verlobt hatte. Es gab nur zwei Wege für mich: Diese Ehe eingehen oder für immer Ehelosigkeit schwören!
Ich wusste nicht, ob ich es für immer schwören konnte, aber ich wusste ganz genau, dass ich jetzt nicht heiraten wollte und konnte. In der Nacht fasste ich einen Entschluss: Ich schnitt mir die Haare ab, legte sie zusammen mit den Verlobungsgeschenken auf ein Tablett und servierte sie den Gästen, die alle eingeladen worden waren, zu den Getränken.
Mein Onkel verstand mich und war außer sich vor Wut: Seitdem war ich für ihn nur noch eine Sklavin. Auch der Priester verweigerte mir die Eucharistie, weil ich nicht dem Willen meines Onkels folgte.
Mein Leben wurde zur Hölle. Mein Körper hielt die ständigen Schläge nicht mehr aus und mein Geist versagte in Anbetracht der Beschimpfungen, die ich tagtäglich hörte. Nur eine Stimme in mir hielt mich am Leben. Sie gab mir Hoffnung, dass es besser wird: Ich musste weg. Wohin genau wusste ich nicht, aber der Ort war nicht hier. Ich musste fliehen.
Ein ehemaliger Diener meiner Familie bot mir Hilfe an. Doch statt mich zu retten, wollte er mich besitzen. Ich wehrte mich. Er schnitt mir die Kehle durch. Ich erinnere mich nur an die Stimme in mir, die mich am Leben hielt. Als ich wieder, wie durch ein Wunder, die Augen öffnen konnte, beschloss ich, zum Schutz ins Kloster zu gehen. Ich bekam Normalität zurück! Die Eucharistie wieder zu empfangen, ließ mich in Tränen ausbrechen. Ich meinte, es geschafft zu haben!
Doch auch hier war nicht der Ort, wo ich ankommen sollte. Mich zog es nach Beirut, Paris und schließlich gründete ich in Betlehem das erste Karmeliterkloster.
Am 26. August 1878 starb ich, Mirjam von Abellin. Ich habe meinen Ort gefunden und bin nach Jahren der Schmerzen wieder mit meinen Eltern vereint.