Nicht im Traum hätte ich daran gedacht, dass mich die Lügen zweier Männer fast töten würden. Jojakim, mein Mann, und ich waren angesehene Leute in unserer Heimat. Auf unserem Grundstück trafen sich die wichtigen Menschen, um sich über dies und jenes auszutauschen. Von morgens bis zur Mittagszeit besetzten sie unser Haus. Erst danach hatte ich die Ruhe, unseren Garten zu genießen.
Wir hatten einen großen Garten. Viele Bäume spendeten Schatten, Blumen gaben ihm die Farbe und die kleinen Seen luden zum Baden ein. Während ich draußen in der Stadt stets darauf achten musste, gerade als Frau, mich so zu verhalten, wie andere mich sehen wollten, hatte ich hier in meinem Garten die Möglichkeit so zu sein, wie es mir gefiel. So freute ich mich oft daran, dass der Wind meine unbedeckte Haut kitzelte und wie die Wassertropfen nach dem Bad von der Sonne mitgenommen wurden.
Der Garten war mir ein sicherer Ort. Bis zu dem Tag, als ich baden wollte und auf einmal zwei Männer am See auf mich warteten. Ich kannte sie. Sie waren zwei Richter, die immer mal wieder bei uns zu Gast waren. Ihre Ansage war deutlich: Entweder sie dürfen sich an mir befriedigen oder sie behaupten, mich mit einem anderen erwischt zu haben. Es war klar, dass niemand mir, aber alle den zwei angesehenen Richtern glauben würden. Doch ich würde lieber sterben, als mich selbst zu verraten. So schrie ich um Hilfe.
Doch die Hilfe, die kam, war der Beginn meines Prozesses. Die beiden Männer logen. Ich wurde vors Gericht gezerrt und zum Tode verurteilt. Und wäre Daniel nicht gewesen, wäre das mein Ende gewesen. Doch Daniel forderte, dass die beiden getrennt befragt werden. Ihre Lüge flog auf. Ich durfte leben.
So wurde ich, Susanna, gerettet. Obwohl ich stets die Wahrheit sagte, glaubte man lieber denen, die Stellung und Macht hatten.
Q:
Septuaginta-Fassung (SusLXX) lässt Ort und Zeit der Handlung relativ unbestimmt. Die Erzählung spielt jedenfalls in einer jüdischen Gemeinde mit Selbstverwaltung und eigener Gerichtsbarkeit. Susanna, die Frau Chilkias’, pflegt im Park ihres Mannes spazieren zu gehen. Zwei Richter beobachten sie dabei, tun sich zusammen und bedrängen Susanna. Diese weist sie ab. Die verbrecherischen Männer aber wandten sich ab, drohten bei sich und planten heimtückisch, sie zu Tode zu bringen.[5] Als alle Israeliten des Orts in der Synagoge versammelt sind, ordnen sie an, Susanna herbeizubringen. Sie wird herbeigebracht mit ihrer Familie und ihren vier Kindern und öffentlich erniedrigt. Dann sagen die beiden Richter aus, sie hätten im Park beobachtet, wie Susanna mit einem jungen Mann Ehebruch beging. Und die ganze (Versammlung in der) Synagoge glaubte ihnen, da sie Älteste waren und Richter des Volkes.[6] Als Susanna zur Hinrichtung geführt wird, ist ein Engel zugegen, der auf Gottes Geheiß einem Jüngeren mit Namen Daniel den Geist der Einsicht gibt. Daniel stellt die Menge zur Rede, dass sie einem Todesurteil ohne ordentlichen Prozess zugestimmt hätte. Daniel lässt die beiden Richter voneinander trennen. Er ermahnt die Anwesenden, nicht etwa zu denken, dass Älteste ohnehin nicht lügen würden. Er werde sie nun verhören. Daniel fragt erst den Älteren, dann den Jüngeren, unter welchem Baum sie den Ehebruch beobachtet hätten. Da einer einen Mastixbaum, der andere eine Eiche nennt, ist die Falschaussage offensichtlich. Die empörte Menge ergreift die beiden Falschzeugen. Sie werden geknebelt und in eine Schlucht gestoßen. Im Gegensatz zu den korrupten Älteren lobt der Verfasser die jüngere Generation. Mit der Hoffnung auf junge Frauen und Männer, die tüchtig und einsichtig sind, klingt die Erzählung aus. Damit übt der Verfasser Kritik an der eigenen Oberschicht (Hasmonäer und ihre Parteigänger).[7]
Theodotion-Version[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Der Bearbeiter der Theodotion-Fassung (SusTh) entschärfte die Sozialkritik von SusLXX. Er versetzte die Handlung ins ferne Babylon und in eine weit zurückliegende Vergangenheit. Indem die Susanna-Erzählung dem Danielbuch vorangestellt wurde, erscheint sie als Kindheitsgeschichte des Propheten Daniel. Dass die beiden Alten durch ihr Richteramt Macht ausüben können, tritt zurück, so dass sie mehr als zwei lüsterne Greise erscheinen:[8]
In Babylon lebte ein reicher Mann namens Jojakim. Seine Frau Susanna ist nicht nur schön und fromm, sie hat als Mädchen auch Toraunterricht erhalten. In Jojakims Haus verkehrten zwei Älteste und Richter. Sie beobachten Susanna dabei, wie sie im Park ihres Mannes spazieren geht. Und sie verkehrten ihren Sinn und wandten ihre Augen davon ab, zum Himmel zu schauen und an Gerechtigkeit und Recht zu denken.[9]
Die beiden beobachten die Frau tagelang bei ihren Spaziergängen im Park. An einem heißen Tag wünscht Susanna ein Bad zu nehmen, sie schickt ihre Mädchen aus, die Parktore zu schließen und Öl und Salben herbeizubringen. Die Ältesten in ihrem Versteck bleiben unbemerkt, als die Tore geschlossen werden. Sie sind nun mit Susanna allein im Park und bedrängten sie: falls sie nicht bereit sei, mit ihnen zu schlafen, würden sie Anklage erheben, Susanna habe Ehebruch mit einem jungen Mann begangen. Doch Susanna bleibt standhaft, weigert sich und schreit. Die beiden Ältesten schreien ebenfalls und nehmen die Dienerschaft als Zeugen für ihre Geschichte. Am anderen Tag kommt die Bevölkerung bei Jojakim zusammen, und die beiden Ältesten lassen Susanna vorführen und ihr den Schleier abnehmen. Dann bringen sie ihre Anklage vor. Die Versammlung glaubt den beiden und verurteilt Susanna zum Tode. Und während sie weggeführt wurde, um zu sterben, erweckte Gott den heiligen Geist eines jüngeren Knaben, der den Namen Daniel (hatte).[10] Er wirft der Menge ihr unverantwortliches Verhalten vor und fordert sie auf, zum Gerichtsort zurückzukehren. Die Gemeindevorsteher laden den Knaben ein, in ihrer Mitte Platz zu nehmen und das Verfahren zu leiten. Er trennt die beiden Ältesten und fragt sie unabhängig voneinander, unter welchem Baum Susanna ihren Mann betrogen haben soll. Während der eine angibt, sie habe es unter einem Mastixstrauch getan, sagt der andere, es sei eine Eiche gewesen. Da schreit die ganze Versammlung auf und erkennt, dass es sich bei den beiden Zeugen um zwei Lügner handelt. Susanna wird ihrer Familie zurückgegeben. Die beiden falschen Zeugen werden getötet. Daniel ist nun beim ganzen Volk angesehen: Damit endet diese Version der Erzählung.
Die Neufassung der Erzählung trägt nach Michael Tilly den veränderten politischen Rahmenbedingungen Rechnung. Entstanden ist sie um die Zeitenwende, als Judäa Teil der römischen Provinz Syria war. Politik und Rechtsprechung war der eigenen Oberschicht entzogen, damit erübrigte sich die Kritik aus SusLXX. Die Susanna-Erzählung wird daher zu einer unterhaltsamen Beispielerzählung, die zur Tugend anspornen soll und nebenher zeigt, dass Daniels besondere Begabung bereits in seiner Jugend erkennbar war.[11]