Ich hatte sieben Geschwister. Sechs Brüder und eine ältere Schwester. Wir wuchsen im Pfarrhaus des Ortes Steventon auf. Ich wuchs heran als Frau meiner Zeit. Das hieß vor allem, danebenstehen und zuschauen müssen. Mir machte das nichts. Ich las Menschen: wie sie sich verhielten, wie sie miteinander interagierten und welche Gefühle sie im jeweils anderen weckten. Früh verstand ich, dass kein Flirt für sich alleine stand. Denn es machte in der Gesellschaft, in der ich lebte, einen Unterschied wer wann mit wem beisammen stand.
Ich lernte lesen und schreiben, aber vor allem deshalb, damit ich mal eine gute Ehefrau sein konnte. Zu meinem Glück durfte ich die Bibliothek im Haus mitnutzen. Schnell stellte ich fest, dass es letztlich nichts Schöneres gab, als zu lesen. Denn die Zeilen entführten mich und meine Gedanken. Begeistert von dem, was ich las, versuchte ich selbst Gedichte und kleine Erzählungen zu verfassen. Die Texte wurden immer länger und komplexer. Mein Vater entdeckte früh meine Leidenschaft zur Literatur und besorgte neue Bücher als Inspiration. Doch am meisten lernte ich durch Beobachten.
Geld war immer ein Thema. Mein Vater starb, als er eigentlich in den Ruhestand gehen wollte. Eine Mitgift war nicht ausreichend und so lag es an meinen Brüdern, uns zu versorgen. Um Liebe ging es selten. Für den Mann, den ich liebte, hatten wir zu wenig Geld. Und der Mann, der mich heiraten wollte, war mir so unangenehm, dass ich seinen Antrag ausschlug. Auch unser Haus im Steventon konnten wir nicht halten. So saß ich im kleinen Landhaus und schrieb jeden Tag an meinen Texten.
Mein Name interessierte keinen. Denn Frauen, die schreiben, waren immer auch etwas anrüchig. Auch wenn meine Familie mich im Nachhinein hinstellte, als ob ich fromm, brav und heilig war, so schrieb ich doch, weil ich genau das erleben wollte, was ich andere erleben ließ und dafür brauchte ich das Geld.
Am 18. Juli 1817 starb ich, Jane Austen. Ich schrieb von Träumen, die ich selbst nicht erleben durfte.